Montag, 10. Dezember 2012

Interview mit SEA + AIR, Ein Gespräch in zwei Akten, 2. Akt



Hier, ohne große Worte zu verlieren, der zweite Akt des SEA + AIR Interviews. Heute erzählen uns die beiden jungen Künstler etwas über den Aufnahmeprozess von "My Heart's Sick Chord", Abenteuer in der Badewanne und gute Musik. Den Grimme-Preis verdächtigen ersten Akt gibt es hier.

"Ich saß mal in der Badewanne und hab da einen Song eingesungen."

CiH: Könnt ihr mir zum Aufnahmeprozess an sich ein bisschen was erzählen, wo habt ihr das Album aufgenommen und wer hat es produziert?

Eleni: Wir haben daheim angefangen im Dezember 2010 und da hat ein Freund von uns vieles an den Soundeinstellungen gemacht. Den hatten wir ursprünglich als Producer angeheuert aber es hat sich herausgestellt, dass er als Engineer die beste Arbeit leistet und er hat sich dann hauptsächlich um Soundeinstellungen gekümmert - die Basics, mit denen wir dann gut arbeiten konnten. Dann haben wir in Regensburg noch zwei Songs aufgenommen mit 'nem anderen Produzenten.

Daniel: Aber da war es ähnlich. Wir haben einfach festgestellt, dass wir keinen Produzenten brauchen. Wir wissen genau, was wir wollen.

Eleni: Genau, wenn es um Produktion oder auch Arrangements der Songs geht, lassen wir uns eigentlich nicht so gern reinreden.

Daniel: Genau. Dadurch dass wir wissen was wir wollen, brauchen wir nur jemanden, der das umsetzen kann, was wir uns vorstellen.

Eleni: Wir sind jetzt nicht so die Soundcracks und Tekkies - für die Umsetzung brauchen wir dann fähige Leute und da haben wir viele im Freundeskreis.

Daniel: Man kann sich das so vorstellen, dass wir verschiedene Settings ein paar Tage lang mit Hilfe durchprobiert haben und irgendwann stand der Sound dann mehr oder weniger so, wie man ihn auf dem fertigen Album hört. Das nächste halbe Jahr haben wir dann alleine Start und Stop gedrückt - da spart man einiges an Geld und kann lange rummachen, bis es dann gut wird.

CiH: Okay. Gibt es irgendwelche Anekdoten zum Aufnahmeprozess. Scott Walker hat auf seinem letzten Alben ja auf Tierfleisch rumgehauen - gab 's da irgendwas?

Eleni: (lacht) Stimmt, diese Doku (30th Century Man) haben wir erst kürzlich im Urlaub angeschaut.

CiH: Riesen Musiker der Typ.

Eleni: Total.

CiH: Na und Elvis hatte ja irgendwie mal ein Schlagzeug auf dem Klo aufgebaut wegen dem Sound. Gabs da was?

Daniel: Also wir haben ein sehr verwinkeltes Haus und da haben wir schon viel ausprobiert.

Eleni: Ich saß mal in der Badewanne fällt mir gerade ein, da hab ich einen Song eingesungen - aber das war für Jumbo Jet, das zählt nicht.

Daniel: Nee, aber wir haben immer versucht so viel natürlichen Hall oder Raumklang auszuprobieren wie möglich und haben da wirklich in dem verwinkelten Haus jede Ecke ausprobiert. Das ist schon lustig, wie der Amp in verschiedenen Räumen klingt und so. Aber da sind wir noch sehr am Anfang unserer Möglichkeiten. Wir haben da noch super viele Ideen, wie man noch natürlicher aufnehmen kann und da hakst du nach zwei, drei Alben nochmal nach, da gibt 's sicherlich paar gute Stories.


"Wir wollen auch einfach mal unsere Instrumente beherrschen."

CiH: Na gibt 's schon Pläne für das nächste Album?

Daniel: Inhaltlich wissen wir genau was wir machen wollen und werden aber das wollen wir noch nicht verraten. Was wir sagen können ist, dass wir versuchen werden, das nächste Album ein bisschen mehr live klingen zu lassen. Das heißt mehr Extreme.

Eleni: Was beim letzten Album ein wenig auf der Strecke geblieben ist, waren so Dinge wie - wie sollen unsere Stimmen klingen, da war eine große Unsicherheit da. Und das entwickelt man nur durch das live spielen, genau so läuft es auch mit den Songs an sich. Da wollen wir beim neuen Album mehr drauf achten.

Daniel: Was sich auch sehr entwickelt, ist das Umgehen mit Ideen. Ausprobieren im Studio ist zwar schön, aber das Ganze festzuhalten und live zu entwickeln - mit dieser Live-Erfahrung setzt man das auch später im Studio intensiver um. Also wenn wir beim ersten mal vier Monate für das Technische und zwei Monate für das Spielerische hatten, wollen wir diesmal einfach das Spielerische verlängern. So werden zum Beispiel auch die neuen Lieder gleich live ausprobiert.

Eleni: Und wir wollen auch einfach mal unsere Instrumente beherrschen. Bringen wir es mal auf den Punkt.

Daniel: Genau. (lachen)

CiH: Na kommt, das klappt doch schon ganz gut. Seid ja auch schon lange dabei - Noisetoys, Jumbo Jet, Daniel Benjamin und auch so - vom Jugendhaus am Albtrauf zu - was war das größte Publikum, das ihr bespielt habt?

Eleni: Das war eben der Support bei Whitney Houston und Festivals natürlich.

CiH: Ihr habt in eurem Blog auch so ein bisschen reflektiert über den Zwiespalt, das zu machen, was man will und trotzdem Musik verkaufen zu können. Hat sich da was verändert von den alten Projekten zu SEA + AIR?

Daniel: Wir haben festgestellt, dass man nichts an der Musik verändern muss um Leute zu erreichen. Das ist wie mit der Titelreihenfolge vorhin. Es ist so, und ich hoffe viele Menschen nehmen sich das zum Anlass mal umzudenken, dass man in erster Linie optisch auf Musik reagiert. Nur weil das bei mir nie so war, kann ich nicht davon ausgehen, dass das bei anderen so ist wie bei mir. Also haben wir darüber nachgedacht, wie man sich optisch präsentiert.

CiH: Und du behauptest noch nie optisch auf Bands reagiert zu haben?

Daniel: Ich hab nicht gesagt, dass ich es nie habe aber in erster Linie nicht, da geht 's mir um die Musik. Ich hatte das früher zum Beispiel mal als ich mir als 13-jähriger die Circus-Platte von Lenny Kravitz, wo er Dreadlocks an den Schamhaaren hat - da dacht ich kurz, okay - aber die Platte an sich ist halt dann richtig gut, egal wie er aussieht.

Eleni: Björk ist ja auch der Meinung, dass viele ihrer Hörer die Musik nicht checken würden, wenn sie nicht die visuellen Bilder dazu hätten. Das heißt, den ganzen Aufwand, den sie mit ihren 10 000 Fotos betreibt, macht sie, um mehr Leute für sich zu gewinnen. Das ist ja klar, wenn man Musik macht, will man nicht in seinem Kellerloch bleiben und wenn du die Leute erreichen willlst, musst du verstehen, dass die meisten eben so funktionieren: sie nehmen Musik erst mit ihren Augen wahr und dann mit den Ohren.

"Ich würd' mich auch für den Playboy ausziehen."

CiH: Okay, das ist vielleicht Ansichtssache. Das ist doch auch eine Art von Kunst - eine gewisse Ästhetik, die mit einer Band kommt. Grade Kraftwerk oder die Stones, die ja auch alle eine gewisse Ästhetik besitzen.

Eleni: Klar, wenn das Hand in Hand geht, ist das ja legitim - ich bin da überhaupt nicht dagegen, ich mag das selber ja auch. Aber wenn es dann nur darum geht, dass man irgendwie gut aussieht auf der Bühne und die Musik völlig zweitrangig ist, das kann es halt nicht sein. Aber solche Bands sind natürlich auch erfolgreich und da muss man sich dann schon wundern und sich fragen, hören die Leute da hin oder schauen sie nur zu.

Daniel: Naja, selbst von den Leuten, die die dadurch gewinnen bleiben denen zehn Prozent treu. Das sind dann Leute, die haben das drumherum vielleicht gebraucht als Tür, aber die hören dann auch mal genauer hin und erkennen Qualität, sofern die vorhanden ist. Und bei der Vielzahl an Musik heutzutage, braucht man ja irgendwas als Initialzündung.

Eleni: Genau. Es gibt einfach zu viel. Wie will man da bestehen?

Daniel: Und da macht man alles für. Da würd’ ich mich auch mit der Unterhose für 'n Playboy ausziehen, wenn sich die Leute dann für meine Musik interessieren, scheiss drauf. (lacht)

CiH: Also gibt es schon eine ästhetische Konzeption hinter SEA + AIR?

Daniel: Ja... auf jeden Fall.

Eleni: Die da wäre?

Daniel: Hm, die da wäre? (beide lachen)

Eleni: Also es gibt ein Konzept hinter allem, das auf jeden Fall. Also angefangen mit dem Namen, mit unseren Wortspielen. Die Elemente die man sich ausgewählt hat.

Daniel: Frau und Mann.

CiH: Der Bart.

Daniel: Genau, der Bart. (lachen)

CiH: Ja, die Frage ist ja, ob es überhaupt möglich ist, im Musikbusiness unterwegs zu sein und kein ästhetisches Konzept zu haben. Ich bin ja großer Oasis Fan und als ich Mitte der Neunziger Fan wurde, meinte ich immer so "Ja hey, die sind einfach so normal und laufen in ganz normalen Klamotten rum" - wobei dieses ganze Straßen-Ding, Adidas-Anzüge und so, natürlich genauso ein Konzept ist, das auch bewusst gepusht wurde.

Eleni: Genau und selbst wenn du kein Konzept hast, wird es dir zugeschrieben, das ist der Punkt.

CiH: Genau so, kuck mal, die laufen "normal" rum.

Eleni: Ja, da kannst du machen, was du willst. Im Endeffekt ziehen wir das an, worauf wir Bock haben und gut is. Wir haben spezielle andere Dinge, die wir mit auf die Bühne nehmen. Wir versuchen auch theaterhafte Elemente in die Bühnenshow mit einzubauen. Das hat sich entwickelt, das haben wir uns vorher nicht groß überlegt. Das entstand eher so aus einer Laune heraus.

CiH: Und wenn das so entsteht kann doch auch der Aspekt cool sein. Klar, wenn die Musik scheisse ist oder langweilig oder 'ne billige Kopie, dann kann der noch so geil angezogen sein, dann geht mir das am Arsch vorbei. Aber wenn die Musik mal stimmt, dann ist dieses visuelle und ästhetische als Zusatzding einfach 'n Bonus.

Eleni: Auf jeden Fall.

CiH: Ok, nächste Frage. Wieso ist "You Are" nicht auf der Platte, wenigstens als Bonus- Track?

Eleni: Das kommt auf die nächste Platte.

CiH: Wurde ja schonmal auf 'ner Daniel Benjamin-Platte veröffentlicht, ist ja schon recht alt das Lied?

Eleni: Genau. Hm, ich weiß gar nicht mehr genau, wann wir das aufgenommen haben, das Lied, 2004 oder 2005, glaub ich, ich denke das war auf der allerersten Daniel Benjamin Platte. Ja, da fragen immer wieder Leute danach, so dass wir beschlossen haben, das auf jeden Fall nochmal aufzunehmen. Ein bisschen anders dann, ja.

CiH: An dem Song sieht man doch schön, es brauch nicht viel. Das ist so ein Ding, der Song ist richtig geil und packt einen, Punkt. Das kann man mit Worten gar nicht richtig ausdrücken, wenn es passt, dann passt es.

Eleni: Stimmt, das ist eine eigene Ebene.

CiH: Auch wenn man sich die Videos der Live-Performances anschaut, für euch live ist das sicher noch intensiver aber wenn der Song dann aufhört und erst mal Stille ist und dann ein kurzer Moment, bevor dann der Applaus losgeht.

Eleni: Das liegt doch daran, dass wir das Publikum  am Anfang mit unseren kryptischen Zeichen unter Hypnose versetzen. Dann können die nicht anders. (lacht) Nee aber ich wundere mich selber darüber, kann mir das auch nicht erklären aber der Song hat eine krasse Wirkung auf die Leute, ja.

"Manchmal steht einem der Kopf im Weg."

CiH: Wobei das ja eigentlich ein recht simpler Song ist, also jetzt kein komplex verschachteltes Prog-Rock-Monster. Wie einfach ist es denn, einen einfachen Song zu schreiben?

Daniel: Naja, manchmal steht einem da der Kopf im Weg, sag ich mal. Wobei wir eben bei SEA + AIR versuchen, den Kopf abzuschalten, weil wir gemerkt haben, selbst verkopfte Bands wie Sonic Youth zum Beispiel: das beste Album von Sonic Youth, mit Abstand, Daydream Nation, ist nicht verkopft. Es ist zwar kompliziert teilweise, man braucht zwanzig mal um reinzukommen aber man merkt einfach, dass es aus dem Bauch kommt. Man kann auch Bach nicht vorwerfen, dass er verkopft ist, der ist halt einfach so gut. Und so ist Sonic Youth, die sind wenn verschachtelt, dann aus dem Bauch heraus. Deswegen werden wir vielleicht auch immer Momente haben wo Leute denken, das ist jetzt verkopft aber ich denke wir schaffen es dann auch eben so ganz simple Songs zu schreiben und haben da den Vorteil, dass wir keine Noten lesen können, das heißt wir müssen uns gewisse Sachen in Liedern einfach merken können und das läuft immer auf irgendwelche Hooks hinaus. Das merken wir auch gerade wieder, wir nehmen grade B-Seiten auf und legen die Gesangslinien drüber, schreiben quasi Gesangsteile. Und man merkt spätestens am nächsten Morgen, was gut war und was nicht - das, was man sich merken konnte war gut und das andere nicht.


CiH: Okay, ja. Daniel jetzt hast du schon ein bisschen von euren Einflüssen erzählt. Was beeinflusst euch denn aktuell, welche Platte liegt daheim auf dem Plattenteller?

Eleni: Entspannungsübungen nach Jakobsen. (lachen)

Daniel: Nee, es gibt grade kein Daheim, weil wir gut 300 Tage im Jahr nicht daheim sind.

Eleni: Und für unterwegs haben wir uns gute Compilations zusammengestellt.

CiH: Was ist da so drauf?

Daniel: Grade konzentrieren wir uns ein bisschen auf den einzelnen Song, da sind Bands dabei wie Crowded House zum Beispiel dabei oder Journey auch - die zwar absolut uncool sind aber super Songs schreiben. Im Moment sind wir da ziemlich poppig unterwegs, alles was einen pusht und berührt.

CiH: Ich find das übrigens cool, dass du völlig ohne ironsiche Brechung U2 als eine deiner Lieblingsbands nennst.

Daniel: Ja klar, U2 waren meine Beatles. Deswegen kann ich auch nie zu verkopft werden, das beschützt mich davor.

"Kate Bush ist die beste Komponistin, die es bisher je gab."

CiH: Okay, wenn wir grade bei den Songs sind, was ist denn dann für euch der eine perfekte Song?

Daniel: Für mich "The Unforgettable Fire" von U2.

Eleni: Hm, das ist schwer.

CiH: Blöde Frage eigentlich.

Eleni: Ja, das ist schwer sich zu beschränken. Hm, vielleicht "Cloudbusting“ von Kate Bush.

CiH: Kate Bush. Die hört man nicht allzu oft als Einfluss. Ich hab die vielleicht vor 'nem Jahr oder so entdeckt, da hab ich mir ihr Debüt Album gekauft und das ist schon abartig geil.

Daniel: Ja, also hier, Quote: Kate Bush ist die beste Musiker/Komponistenfrau, die es bisher je gab. Also wenn die Eleni das toppen will, dann muss sie alt werden. (lachen) Ne, jedes Kate Bush Album, bis auf "Red Shoes", das letzte vor der langen Pause, das ist noch am schwächsten, aber jedes hat einen Klassiker und jedes ist stark, selbst die Sachen, die sie heute macht, das letzte "50 Words For Snow" - Hammer geiles Album und jedes Album immer in sich stimmig.

CiH: Sie ist ja auch ein gutes Beispiel für jemanden, der es schafft, den musikalischen Anspruch, den ästhetischen Anspruch und auch den Kommerz so auszupendeln, dass es passt.

Eleni: Genau, trotzdem ist sie ja mit der Maschinerie des Business nicht so ganz klar gekommen.

Daniel: Wobei das nicht klarkommen vielleicht auch ein bisschen dazugehört. Das ist ja bei Prince genauso.

Eleni: Ja klar, aber  sie war dann für zwölf Jahre weg vom Fenster.

Daniel: Genau aber deswegen will nach zwölf Jahren auch wieder jeder was von ihr hören.

Eleni: Gut, sie hat sich den Mythos der jungen Kate Bush erhalten, so stellt man sie sich immer noch vor.

CiH: Und im Strampelanzug auf der Bühne oder was war das bei diesem einen Konzert, wo sie so ganz komisch.

Eleni: Ja, nach jedem Song Kostümwechsel.

Daniel: Aber deswegen hab ich auch "Unforgettable Fire" gewählt, da ist das auch alles vereint. Kompositorisch eine Meisterleistung aber trotzdem eingängig ohne Ende, da packen sie alles in einen Song so.

Fin.

Sonntag, 2. Dezember 2012

Olli Schulz, Nürnberg, 20.11.2012

Hallo meine Lieben. Ich melde mich heute mal wieder in Form eines Gastbeitrags meiner lieben Freundin Ulli, die für CiH als Zigarettenmädchen auf dem Olli Schulz Konzert im Nürnberger Hirschen war. Ihr könnt von diesem Artikel nicht weniger als ein Artikel ohne Rechtschreibfehler erwarten. Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank liebste Ulspe! 

 

Eigentlich mit der Erwartung hin, dass die Teens den Großteil des Publikums ausmachen, da sie regelmäßig Joko und Klaas schauen und Olli Schulz als schmuckes Beiwerk dadurch kennengelernt haben und ihn jetzt mal persönlich sehen wollen. Außerdem kam erschwerend hinzu kam, dass ich das erste Sitzkonzert meines Lebens erleben sollte!!!

Die Voraussetzungen waren also nur suboptimal! Aber für jedes Problem gibt’s Lösungen, sodass die Masterpläne schon im Vorfeld geschmiedet wurden. Die jungen Dinger sollten eigentlich beiseite geschubst werden und spätestens bei „Spielerfrau“ sollten dann auch die Stühle beiseite gestellt werden. 

Mit den Vorhaben in der Hinterhand nahte der Abend und die Vorfreude wuchs von Minute zu Minute! Und ich wurde positiv überrascht. Nur wenige Teenies! Aber das Problem mit der Bestuhlung war schwerwiegender als gedacht, denn die Stühle, die zur Seite gestellt werden sollten, waren keine Stühle, sondern Bierbänke! Na gut! Man muss mit dem Material arbeiten, das vorhanden ist. 

Mit der minimalistische Bühnenausstattung war es von Anfang an klar war, dass Olli das Kind schaukeln muss. Und das ist ihm auch gelungen. Musikalisch hat der Mann mit seiner Gitarre absolute Präsenz gezeigt und seine Lieder performt. Trotz der Tatsache, dass Olli jeden Tag in einer anderen Stadt auf der Bühne stand, undaußer einem kleinen Kratzen im Hals war der junge Herr frisch und voller Enthusiasmus.Aber er hätte die Gitarre daseine oder andere Mal nochmals stimmen sollen. Aber das hat der Stimmung keinen Abbruch getan, denn das Publikum hat nicht nur wegen seines Improvisationstalent (wenn man tatsächlich von Talent bei einem Reim wie „Geburtstach-Wurtsfach“ sprechen darf), sondern auch wegen seiner ausschmückende Erzählung über seinen ersten Saunasbesuch Tränen gelacht. Diesem einschneidenden Erlebnis widmete er auch einen Song, mit dem er allem die Krone oder besser gesagt den Aufguss aufsetzte. Aber auch die melancholischen Töne kamen nicht zu kurz, da er mit seinem Lied „Wenn es gut ist“ so vielen Besuchern aus dem Herzen sprach.


Im zweiten Teil kam sein Kumpel am Schlagzeug zur Verstärkung. Und die beiden müssen wirklich gut befreundet sein, denn sein Können an den Drums kann nicht der Grund sein, warum der Typ auf der Bühne stehen darf. Mit den Bildern seiner Powerpoint-Präsentation, die seine Performance unterstreichen sollten, kamen dann die Tierfreunde auf ihre Kosten! Leider biß er da bei mir auf Granit! Sodass weder das Faultier noch der Pandabär, was wohl beim Großteil des Publikums genau den Oh-ist-der-süß-Effekt erzielte, sondern das Diktatoren-Bild mein absolutes Highlight war!



Olli war dem Publikum gegenüber absolut aufmerksam und hat kleinsten Kleinigkeiten im Publikum registriert. Da überlegt man sich schon zwei Mal, an welcher Stelle man seinen Klobesuch antritt, ohne dass er von Olli thematisiert wird. Aber seiner Aufmerksamkeit sei Dank, denn er hat dann an diesem Abend nicht nur für das anwesende Publikum gespielt, sondern auch für ein Mädchen, das nicht persönlich kommen konnte, aber ihre Freunde haben mit einem Plakat Olli von ihr gegrüßt. So hat Herr Schulz spontan ihr das nächste Lied gewidmet und sie mit folgenden Worten gewürdigt: „In der Kathedrale meines Herzens brennt ein Sambucca nur für dich!“. Und jetzt kann man sagen was man will, aber (Improvisations)Talent kann man ihm sicherlich nicht mehr absprechen.

Zwischen den einzelnen Songs hat Olli auch ein paar Schmankerl seiner Konzerterfahrungen aus anderen Städten zum Besten gegeben. Und unter uns sie sind nicht gut dabei weggekommen. Jetzt ist nur die Frage, was er über Nürnberg erzählt. Vielleicht dass er zweieinhalb Stunden in ländlich aussehende Gesichter schauen musste. Wir wissen es nicht…Nichtsdestotrotz: Danke, lieber Olli, für diesen wunderbaren Abend!

Freitag, 23. November 2012

Interview mit SEA + AIR, Ein Gespräch in zwei Akten, 1. Akt

Der Ort der Geschichte ist ein kleines Café im Herzen Nürtingens an einem verregneten Freitagnachmittag im November 2012


Daniel Benjamin, Eleni, AIR (v.l.n.r., nicht im Bild: SEA)

Die Personen

Eleni, Sängerin und Liedermacherin bei der Band SEA + AIR

Daniel Benjamin, ihr Mann und ebenfalls Sänger und Liedermacher bei der Band SEA + AIR

Sven, Redakteur bei Cigarettes in Hell




Daniel und Eleni machen jetzt seit etwas mehr als einem Jahr gemeinsam Musik als SEA + AIR. Doch schon lange vorher haben die beiden zusammen Musik gemacht, bei Daniel Benjamin, den legendären Noisetoys oder den fast noch legendäreren Jumbo Jet. So fließen in SEA + AIR gut über zehn Jahre gemeinsame Musikerfahrung und unermüdliches Touren, mindestens quer durch Europa, ein. Musik zu beschreiben muss scheitern, darum empfehle ich zum ersten Eindruck das Video oben. Aber über die Entstehung von Musik, die Einflüsse und das gemeinsame Lieder schreiben kann man sehr wohl etwas sagen. Darum haben sich die Höllenzigaretten mit den beiden (noch) jungen, aufstrebenden Musikern zusammengesetzt und ein wenig geplaudert. Weil das Ganze ziemlich ausartete, wir hier aber Freunde des Ungeschnittenen sind, gibt es das Gespräch in zwei Teilen. Viel Spaß dabei, Gruß und Kuss.

"für Deutsche ganz gut" reicht uns nicht

CiH: Mal von Anfang an. Wie fühlt Ihr euch gerade? Ich habe mal ein wenig recherchiert zu eurem aktuellen Album "My Heart's Sick Chord" - das letzte Mal als ich euch gesehen habe, war vor rund einem Jahr, in Reutlingen im Franz K, bei der Uraufführung des Albums, da wart Ihr noch gar nicht lange als SEA + AIR unterwegs. 

Eleni: Stimmt, da hat es gerade angefangen.

CiH: Da war das Album noch gar nicht recht draussen.

Daniel: Nein, das war eine Testphase, wo wir die neuen Songs schon geschrieben hatten, dann aber noch von acht Händen oder Füßen mit denen man spielen kann, nur sechs zum Einsatz gebracht haben (lacht) und wo wir noch so ein bisschen am ausprobieren waren. 

CiH: Hat mir schon da gut gefallen euer Zusammenspiel. Ihr macht ja schon länger auch gemeinsam, in anderen Bands wie Noisetoys, Jumbo Jet oder Daniel Benjamin, Musik. Was gab nun den Ausschlag, das in konzentrierter Form zu zweit mit SEA + AIR anzugehen?

Eleni: Ja, wir hatten mit Daniel Benjamin wechselnde Besetzungen, aber der konstante Kern waren schon damals wir beide. Dann kam der Support für Whitney Houston, auch zu zweit als Duo, als wir feststellten, dass wir durchaus in der Lage sind auch in minimaler Besetzung ein größeres Publikum in den Griff zu bekommen.

Daniel: Für mich spielte auch eine Rolle, dass ich jahrelang mit dem "Soloprojekt" Daniel Benjamin unterwegs war und für Zuhörer stellte sich dann immer wieder die Frage: "Warum heißt ihr Daniel Benjamin?" Wir dachten schon lange darüber nach uns umzubenennen, hatten aber nie so richtig den Mut. Und dann haben wir irgendwann gesagt - okay, jetzt brauchen wir einen Neustart und dann war der perfekte Moment eigentlich da.

CiH: Hat sich in diesem Verlauf auch was am Entstehungsprozess der Songs an sich verändert? Also, wurden die schon immer zusammen geschrieben, oder?

Eleni: Ja, dadurch dass wir das als Duo machen, entstehen die Songs auch gemeinsam. Man schreibt zusammen und einer wirft beispielsweise eine Idee in den Raum, der andere arbeitet daran und so entstehen die meisten Songs.

CiH: Wie kann man sich das vorstellen? Ist das eher ein Thomas-Mann-mäßiges morgens drei Stunden am Stück, jetzt arbeiten wir was oder...

Eleni: Nö, das kann ganz spontan sein. Da hat einer eine gute Melodie, z.B. auf Tour im Soundcheck und dann jammen wir ein bisschen und so können Songs auch entstehen. Unter Zeitdruck haben wir auch schon Lieder aufgenommen. Dann setzt man sich wirklich hin und arbeitet was aus oder man hat schon Songstrukturen, auf die man zurückgreifen kann und die man dann zu Ende bringt.

CiH: Okay. Mich würde interessieren, wie sich jetzt die Entwicklung von den recht kleinen Locations noch im letzten Jahr bis heute für Euch anfühlt. Ich habe gestern mal euer Album gegooglet und das findet man mittlerweile bei allen wichtigen illegalen Filebörsen. Man kann quasi sagen, ihr seid schon in gewisser Weise angekommen, auch in einem internationalen Umfeld. Könnt ihr ein bisschen beschreiben, wie sich das anfühlt?

Daniel: Also die Entwicklung fühlt sich gut an, wir hatten als SEA + AIR oder am Ende von Daniel Benjamin schon die Ansicht, dass dieses Label "für Deutsche ganz gut" uns nicht reicht. Wir wollen was einzigartiges machen, das uns als SEA + AIR auszeichnet und nicht nur "die deutsche Version von" ist. Das war so der Hauptgedanke und natürlich haben wir auch gehofft, dass das auch ankommt. Wir haben in dem Prozess auch so ein wenig Revue passieren lassen, welche Momente an uns den Leuten gefallen haben. Bei dem Support für Whitney Houston haben wir am Ende ein Lied zweistimmig ohne Begleitung ausklingen lassen. Die komplette Arena war mucksmäuschenstill, was ja tatsächlich eine Art magischer Moment ist. Damit rechnet man nicht, denn schließlich ist das kein Musikliebhaber-Publikum, sondern ganz normales Mainstream-Publikum.

CiH: Eventpublikum...

Daniel: So ein Publikum zu flashen muss also daran liegen, dass sowohl die Art, wie wir zusammen singen, als auch die Melodien, besonders sind. Beides haben wir dann herausgearbeitet und dem ganzen mit SEA + AIR ein Gerüst gegeben, was es wirklich einzigartig macht. Und das bekommen wir jetzt auch immer wieder im Ausland zu hören. Erst neulich in Holland wieder, kam einer an, hat die CD gekauft und meinte: "This is the first German CD I've ever bought" und dergleichen. Auch in Kanada haben wir das oft gehört, dass die Leute natürlich ein Bild haben von Deutschland und unsere Musik nicht erwarten.

für uns ist die Freiheit wichtig, die andere deutsche Bands wie Can oder Kraftwerk hatten

CiH: Wobei das ja immer so ein bisschen vergessen wird. Es gab ja durchaus in den 60ern und 70ern, das hattest du in einem anderen Interview auch mal erwähnt und das war ein Einfluss bei dir, der mich überrascht hat, Bands wie Kraftwerk und Can, die einiges an Entwicklung angestoßen haben musikalisch und wo es eigentlich egal ist wo das herkommt, wo die Musik an sich zählt.

Daniel: Auf jeden Fall und die Leute im Ausland wissen und schätzen das mehr als wir hier in Deutschland. Viele große einflussreiche Bands heutzutage, wie Radiohead, zählen die deutsche experimentelle Szene der Ende 60er Anfang 70er als mitunter größten Einfluss auf. Und für mich trifft das auch zu, aber es geht natürlich nicht darum, den Stil dieser Bands nachzuahmen, sondern für uns ist die Freiheit wichtig, die diese Bands hatten: alles zu mixen, alles auszuprobieren - dieses Gefühl zu nehmen und was eigenes zu machen, das ist für uns der Einfluss.

CiH: Okay, also wenn es euch kicken würde, wäre das nächste SEA + AIR Album auch ein Hip Hop Album?

Daniel: Prinzipiell ist nichts ausgeschlossen aber ich sag mal so, wenn es ein Hip Hop Album wär, dann eins...

CiH: Mit Cembalo...

Daniel: (lacht) genau...

Eleni: Was es so auch noch nicht gegeben hat (lacht)...

Daniel: Nee, was ich eigentlich sagen wollte: wenn es ein Hip Hop Album wäre, dann wär es für viele Leute das erste Hip Hop Album, das sie mögen.

Eleni: Genau, viele mögen zum Beispiel das Cembalo an sich nicht. Letztens haben wir eine Rezension gelesen, bei der die Autorin meinte, dass sie das Instrument eigentlich regelrecht hasse. Nach dem Hören der Platte konnte sie sich damit anfreunden. Wir haben es teilweise so untypisch eingesetzt, oft auch als Rockinstrument, dass ihre Vorbehalte schnell verflogen waren.

eigentlich ist das Cembalo ein Rockinstrument

CiH: Was würdet ihr sagen, macht das Cembalo insgesamt mit eurem Sound? Wie würde SEA + AIR ohne Cembalo klingen?

Daniel: Es stimmt die Musik ein wenig festlicher. Natürlich in jedem Fall auch spezieller. Es fällt auch nicht übertrieben auf, das liest man oft und das war uns auch wichtig. Eigentlich ist es ein Rockinstrument, es ist funkier als das Klavier, es ist viel konturhafter als eine Gitarre, die ein bisschen schwammiger ist, es hat eigentlich alles, was ein Melodieinstrument für Rockmusik braucht und trotzdem wurde es immer nur so sporadisch eingesetzt, von den Beatles oder von Kate Bush.

CiH: Ich finde, es unterlegt auch die Stücke, die eher gitarrenlastig sind, wie beispielsweise "Yeah, I Know", dass mich so ein wenig an die Noisetoys Sachen erinnert hat, mit einer gewissen Leichtigkeit. Ein wenig theatralisch könnte man auch sagen, es kommt ein tänzelndes Moment in die Musik und gibt auch dem "schwereren Rock" eine neue Leichtigkeit. Ihr verarbeitet auf dem Album ja durchaus auch tragische Themen wie Verlust, Abschied, Liebeskummer - mit dem Cembalo kommt aber immer ein auflockerndes Moment, im positiven Sinne, mit in die Musik, fast schon ein humoristisches Moment. Aber dadurch bekommt wiederum auch der Schatten, der ausgedrückt wird, auch eine tiefere Bedeutung...

Eleni: Das Fünkchen Hoffnung war uns wichtig. Zu vermitteln, dass nach jedem Regen auch die Sonne wiederkommt.

CiH: Ist das bewusst auch so musikalisch umgesetzt?

Daniel: Also bewusst nicht. Die Basis von SEA + AIR sind Extreme. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man gesagt hat, jetzt sind wir mal extrem, sondern wir sind so Typen. Wenn ich jetzt hier drei Stunden sitzen würde, würde ich zehn heiße Schokoladen trinken, wenn ich Gitarre spiele, spiele ich bis ich umfalle Gitarre. In so Dingen bin ich extrem, Eleni ist wieder in ganz anderen Dingen genau so ein extremer Typ. Und diese Sachen zusammen zu bringen würde das Ganze verwaschen. Deswegen lassen wir die Dinge gerne in ihrer ihnen eigenen Verschiedenheit für sich stehen, wie du sagst, eine extreme Traurigkeit, die jeder Mensch manchmal hat, die jeder auch kennt - aber auch den extremen Witz, den man auch hat, den Abend, wo man mal nur am Lachen ist. Die beiden Pole sind bei uns vorhanden und zeigen sich dann auch in der Musik.

CiH: Wie baut man dann mit den Songs ein Album auf - also ich habe es mir gestern beim Laufen angehört und es hat da genau so funktioniert wie abends im Bett mit Licht aus. Und es wird schon immer klar, dass es eben keine sinnlose Aneinanderreihung von Singles ist, sondern es ist ein Album und ich denke man hört, dass es das auch sein soll. Gab es da eine Konzeption und was spielte eine Rolle dabei?

Daniel: Für uns ist sehr wichtig, dass irgendwann die jungen Leute von heute, die ja meistens gar nicht mehr wissen, was ein Album ist, sich genau diese Frage stellen. Wir sind ja heute an einem Punkt, den gab es schon mal. Alle sind immer ganz entsetzt über mp3s und so. Das war aber in den 50ern und davor schon so. Da war der Song der Star und der, der ihn gesungen oder geschrieben hat, im Hintergrund.

Eleni: Und es wurde natürlich viel gecovert, was heutzutage auch wieder üblicher wird. Dass man bekannt werden kann, indem man nur Songs von anderen Künstlern covert, die schon bekannt sind. Das ist auch so ein Phänomen, das wieder auftaucht.


irgendwann sagen die Leute wieder, was ist denn das, ein Album

Daniel: Genau, wie die Beatles oder die Rolling Stones Platten, die hatten alle mindestens 50% Covers. Und dann irgendwann kamen Alben wie Sgt. Pepper’s, wo beide Seiten ein Song/ also es waren natürlich sechs, sieben Lieder pro Seite, die aber verbunden waren, wo sich die Leute plötzlich gesagt haben - oh geil, das ist ein Album. Und heutzutage, durch die Länge der CD, ist das wieder verloren gegangen in den 90ern. Die Leute wissen gar nicht mehr, warum eigentlich ein Album, was ist das Tolle an einem Album? Zum Beispiel der Moment, wo der dritte Song nur deswegen so geil ist, weil es der dritte Song ist. Das kennen die Leute nicht mehr aber sie haben auch nicht das Verlangen danach. Das verstehe ich vollkommen und ich glaube aber, dass wir das mit anderen Albumbands wieder erreichen, dass Leute anfangen sich wieder zu überlegen - okay, ich will mehr wieder so 'ne Sicherheit in meinem musikalischen Hörerleben.

Eleni: Ja, vielleicht muss die Schallplatte wieder her, damit es für die Leute einfacher wird. Da hat man ja auch praktisch zwei Alben auf einem gehabt, also zwei Seiten. Man hat die eine Seite gehört und dann die andere. Das ist einfach...

Daniel: Ja, oder die eine und dann wieder die eine.

Eleni: Genau, dann kommt man da auch eher in dieses Gesamtkonzept rein als wenn man ein  70-minütiges "Monster" vor sich hat. Bei der Platte war es übersichtlicher.

Daniel: Genau und ich glaub irgendwann kommt der Punkt, da sagen die Leute - jetzt bin ich mal gespannt, was ist denn das - ein Album? Und dann geht man ganz neu an das Ding ran und dann werden sie entdecken, es gibt ja ein paar Bands - wie zum Beispiel SEA + AIR aber auch einen Haufen andere - die immer schon so gedacht haben - oder sie kommen tatsächlich durch uns darauf, dass es dieses Konzept gibt und dann ist das ein Erfolg für uns.

CiH: Hattet ihr da irgendwelche Dinge im Kopft, beim Aufnehmen des Albums? War da 'ne theoretische A/B Seite im Kopf? Sind die Songs ganz bestimmt zusammengestellt?

Eleni: Wir haben uns auf jeden Fall viel Zeit gelassen beim Zusammenstellen der Songs. Es gab verschiedene Tracklisten, die damals unter unseren Freunden in Umlauf gebracht wurden. Wir haben da bestimmt einen Monat lang rumüberlegt, bis wir die für uns passende Reihenfolge hatten.

Daniel: Eigentlich gibt es zwei perfekte Reihenfolgen, die beide auf dem Album sind - und zwar einmal die vorwärts und einmal die rückwärts. Letztlich haben wir uns für die reguläre entschieden aber es gab auch Leute die gesagt haben, genau umgekehrt wäre besser.

CiH: Richtig schön mit so 'nem acht Minuten Ding anfangen...

Daniel: Genau, gleich mit so 'nem Ding...

Eleni: Wobei eigentlich ist es besser, mit dem Medley aufzuhören...

Daniel: Das war die Idee, wobei es auch Stimmen gab, dass "My Heart`s Sickest Chord" einen gleich gut packt und während man das Album hört, Stile des Openers wiedererkennt. So ist die Aufnahme der verschiedenen Themen eben an den Schluss gesetzt. Wir haben versucht einen Bogen mit lauten und leisen Elementen zu spannen - vorwärts wie rückwärts. Und der allgemeine erste Eindruck eines Albums beruht ja stark auf den ersten zwei, drei Liedern. Hätten wir die Mittelstücke, die rockigeren, wie "Sea after a storm" oder "Yeah I know" an den Anfang gepackt, hätten alle gesagt, das ist voll die Rockband, voll das Rockalbum. So wie wir es jetzt gemacht haben, siedeln uns viele eher so im Folk, Singer-Songwriter Bereich an - und das ist eigentlich schon witzig wie man da manipulieren kann, weil es wären genau dieselben Songs, nur unterschiedliche Reihenfolgen. Das ist ganz interessant, vielleicht mal eigene Reihenfolgen auszuprobieren.

Eleni: Na viele, die Reviews machen, kommen ja auch über drei Songs nicht hinaus. (lacht)

CiH: Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde die ersten drei Songs gut aber mein Höhepunkt ist der Song-Drilling "You Don't Care About Me, Safe from Harm und You & I" - bei denen ihr euch mit den Vocals abwechselt und bei denen mir so ein paar Dinge aufgefallen sind. Es gibt ja gute Alben, sehr gute Alben und so besondere Dinge - habt ihr den Film Almost Famous gesehen? Als sie auf die Bühne laufen und der Sänger der Band dem Interviewer erklärt, was besondere Songs ausmacht - diese verrückten, unperfekten Dinge - wenn ein Ton zu hoch, schief oder wie auch immer gesungen wird, das sticht heraus und macht Dinge besonders. Da sind mir bei euch auch so Dinge aufgefallen, die hängen bleiben. So zum Beispiel bei "The Heart Of The Rainbow" - das ja mit diesem Chor beginnt, der den Refrain singt, oder seid ihr beiden das gedoppelt...

Eleni: Das waren Schlagzeugschüler von uns, die da drauf gesungen haben...

CiH: Und dann dieser Moment, wo sich Daniel so quasi "aus dem Chor heraus singt", nochmal alleine mit dem Refraintext und geht dann in den Vers über - oder bei "Yeah I Know" auch im Refrain, der ja auch mehrstimmig ist, das aber immer du bist, oder, Daniel... 

Daniel: Ja, das bin alles ich...

CiH: Und jede dieser Stimmen mit einer anderen "Qualität" singt - die eine besonders hoch, die andere wirkt eher gelangweilt und da macht ihr so einen Raum auf, da wird beim Hörer ein Bild gemalt, bei mir zumindest - der eine Typ steht so gelangweilt lässig in der Ecke, während der andere eben so hoch geht und das sind eben Sachen, die sind eben nicht so glatt, da passiert was. 

Eleni: Das sind die Extreme, von denen vorher die Rede war. Die bleiben hängen.



CiH: Wie ensteht sowas?

Daniel: Das ist so eine Frage die man mit dem Kopf nicht wirklich erklären kann, weil das kommt einfach so.

Eleni: Das kommt hauptsächlich durch die eigenen Hörgewohnheiten. Wir hören selber auch am liebsten Musik, die in irgendeiner Weise extrem ist. Mir geht es dabei wir dir - bei mir bleiben auch Dinge hängen, die nicht glatt poliert sind, sondern die aus irgendeinem Grund herausstechen. Eine Melodie oder eine Gitarre, die viel zu laut eingestellt wurde aber am Ende ist es genau das: auf diese eine ungewöhnliche Stelle wartet man dann bei einem Song. Und wenn man selber diese Art von Musik hört, passiert es dann unterbewusst, dass man selber auch so Musik schreibt.

Daniel: Ganz genau, da kommt das her. Und es kommt noch auf den "magic chord" an. Jeder Song, den ich schreibe muss sowas haben, sonst wandert er in die Tonne. Wir veröffentlichen keinen Song, der nicht mindestens zwei Sekunden hat von sowas. Man merkt das auch an guten Mainstream-Bands wie U2 oder auch Coldplay, die haben auf jedem Album, deswegen kauf ich mir die auch, vier solche Lieder - ein guter Popsong arbeitet mit Motiven, die man irgendwie kennt, man kann sie nicht einordnen aber man kennt sie irgendwie - und dann werden sie gebrochen von diesem "magic chord" und genau das dreht es dann um und macht es spannend. Die restlichen sechs Lieder haben das meistens nicht und sind dann langweilig. Wir wollten halt einfach, dass jedes Lied das hat.

CiH: Also ist man sich diesen Momenten durchaus bewusst?

Daniel: Irgendwann dann schon...

Eleni: Aber nicht während des Prozesses. Da denkt man über sowas nicht nach - im Nachhinein, ein, zwei Jahre nach den Aufnahmen, wird einem das  klar. 

Daniel: Man merkt ja irgendwann wie man tickt, was einem das Bauchgefühl sagt und wie Eleni sagt, was man selber auch für Musik mag und das kommt dann automatisch also man ist ja nicht, man kann ja jetzt auch nicht hinstehen und sagen - ich bin jetzt voll der Künstlertyp und mach jetzt mal was crazy'es. Weil dann funktioniert das nicht. Man ist wie man ist und entweder man hat so ein Empfinden oder halt nicht.


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