Daniel Benjamin, Eleni, AIR (v.l.n.r., nicht im Bild: SEA) |
Die Personen
Eleni, Sängerin und Liedermacherin bei der Band SEA + AIR
Daniel Benjamin, ihr Mann und ebenfalls Sänger und Liedermacher bei der Band SEA + AIR
Sven, Redakteur bei Cigarettes in Hell
CiH: Mal von Anfang an. Wie fühlt Ihr euch gerade? Ich habe mal ein wenig recherchiert zu eurem aktuellen Album "My Heart's Sick Chord" - das letzte Mal als ich euch gesehen habe, war vor rund einem Jahr, in Reutlingen im Franz K, bei der Uraufführung des Albums, da wart Ihr noch gar nicht lange als SEA + AIR unterwegs.
CiH: Was würdet ihr sagen, macht das Cembalo insgesamt mit eurem Sound? Wie würde SEA + AIR ohne Cembalo klingen?
Daniel: Genau und ich glaub irgendwann kommt der Punkt, da sagen die Leute - jetzt bin ich mal gespannt, was ist denn das - ein Album? Und dann geht man ganz neu an das Ding ran und dann werden sie entdecken, es gibt ja ein paar Bands - wie zum Beispiel SEA + AIR aber auch einen Haufen andere - die immer schon so gedacht haben - oder sie kommen tatsächlich durch uns darauf, dass es dieses Konzept gibt und dann ist das ein Erfolg für uns.
Daniel: Genau, gleich mit so 'nem Ding...
CiH: Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde die ersten drei Songs gut aber mein Höhepunkt ist der Song-Drilling "You Don't Care About Me, Safe from Harm und You & I" - bei denen ihr euch mit den Vocals abwechselt und bei denen mir so ein paar Dinge aufgefallen sind. Es gibt ja gute Alben, sehr gute Alben und so besondere Dinge - habt ihr den Film Almost Famous gesehen? Als sie auf die Bühne laufen und der Sänger der Band dem Interviewer erklärt, was besondere Songs ausmacht - diese verrückten, unperfekten Dinge - wenn ein Ton zu hoch, schief oder wie auch immer gesungen wird, das sticht heraus und macht Dinge besonders. Da sind mir bei euch auch so Dinge aufgefallen, die hängen bleiben. So zum Beispiel bei "The Heart Of The Rainbow" - das ja mit diesem Chor beginnt, der den Refrain singt, oder seid ihr beiden das gedoppelt...
CiH: Wie ensteht sowas?
Daniel: Irgendwann dann schon...
Daniel und Eleni machen jetzt seit etwas mehr als einem Jahr gemeinsam Musik als SEA + AIR. Doch schon lange vorher haben die beiden zusammen Musik gemacht, bei Daniel Benjamin, den legendären Noisetoys oder den fast noch legendäreren Jumbo Jet. So fließen in SEA + AIR gut über zehn Jahre gemeinsame Musikerfahrung und unermüdliches Touren, mindestens quer durch Europa, ein. Musik zu beschreiben muss scheitern, darum empfehle ich zum ersten Eindruck das Video oben. Aber über die Entstehung von Musik, die Einflüsse und das gemeinsame Lieder schreiben kann man sehr wohl etwas sagen. Darum haben sich die Höllenzigaretten mit den beiden (noch) jungen, aufstrebenden Musikern zusammengesetzt und ein wenig geplaudert. Weil das Ganze ziemlich ausartete, wir hier aber Freunde des Ungeschnittenen sind, gibt es das Gespräch in zwei Teilen. Viel Spaß dabei, Gruß und Kuss.
"für Deutsche ganz gut" reicht uns nicht
CiH: Mal von Anfang an. Wie fühlt Ihr euch gerade? Ich habe mal ein wenig recherchiert zu eurem aktuellen Album "My Heart's Sick Chord" - das letzte Mal als ich euch gesehen habe, war vor rund einem Jahr, in Reutlingen im Franz K, bei der Uraufführung des Albums, da wart Ihr noch gar nicht lange als SEA + AIR unterwegs.
Eleni: Stimmt, da hat es gerade angefangen.
CiH: Da war das Album noch gar nicht recht draussen.
Daniel: Nein, das war eine Testphase, wo wir die neuen Songs schon
geschrieben hatten, dann aber noch von acht Händen oder Füßen mit denen man
spielen kann, nur sechs zum Einsatz gebracht haben (lacht) und wo wir noch so ein
bisschen am ausprobieren waren.
CiH: Hat mir schon da gut gefallen euer Zusammenspiel. Ihr macht ja
schon länger auch gemeinsam, in anderen Bands wie Noisetoys, Jumbo Jet oder
Daniel Benjamin, Musik. Was gab nun den Ausschlag, das in konzentrierter Form zu
zweit mit SEA + AIR anzugehen?
Eleni: Ja, wir hatten mit Daniel Benjamin wechselnde Besetzungen, aber
der konstante Kern waren schon damals wir beide. Dann kam der Support für
Whitney Houston, auch zu zweit als Duo, als wir feststellten, dass wir durchaus
in der Lage sind auch in minimaler Besetzung ein größeres Publikum in den
Griff zu bekommen.
Daniel: Für mich spielte auch eine Rolle, dass ich jahrelang mit dem
"Soloprojekt" Daniel Benjamin unterwegs war und für Zuhörer stellte
sich dann immer wieder die Frage: "Warum heißt ihr Daniel Benjamin?"
Wir dachten schon lange darüber nach uns umzubenennen, hatten aber nie so
richtig den Mut. Und dann haben wir irgendwann gesagt - okay, jetzt brauchen
wir einen Neustart und dann war der perfekte Moment eigentlich da.
CiH: Hat sich in diesem Verlauf auch was am Entstehungsprozess der
Songs an sich verändert? Also, wurden die schon immer zusammen geschrieben,
oder?
Eleni: Ja, dadurch dass wir das als Duo machen, entstehen die Songs
auch gemeinsam. Man schreibt zusammen und einer wirft beispielsweise eine Idee
in den Raum, der andere arbeitet daran und so entstehen die meisten Songs.
CiH: Wie kann man sich das vorstellen? Ist das eher ein Thomas-Mann-mäßiges
morgens drei Stunden am Stück, jetzt arbeiten wir was oder...
Eleni: Nö, das kann ganz spontan sein. Da hat einer eine gute
Melodie, z.B. auf Tour im Soundcheck und dann jammen wir ein bisschen und so können
Songs auch entstehen. Unter Zeitdruck haben wir auch schon Lieder aufgenommen.
Dann setzt man sich wirklich hin und arbeitet was aus oder man hat schon
Songstrukturen, auf die man zurückgreifen kann und die man dann zu Ende
bringt.
CiH: Okay. Mich würde interessieren, wie sich jetzt die Entwicklung
von den recht kleinen Locations noch im letzten Jahr bis heute für Euch anfühlt.
Ich habe gestern mal euer Album gegooglet und das findet man mittlerweile bei
allen wichtigen illegalen Filebörsen. Man kann quasi sagen, ihr seid schon in
gewisser Weise angekommen, auch in einem internationalen Umfeld. Könnt ihr ein
bisschen beschreiben, wie sich das anfühlt?
Daniel: Also die Entwicklung fühlt sich gut an, wir hatten als SEA +
AIR oder am Ende von Daniel Benjamin schon die Ansicht, dass dieses Label
"für Deutsche ganz gut" uns nicht reicht. Wir wollen was
einzigartiges machen, das uns als SEA + AIR auszeichnet und nicht nur "die
deutsche Version von" ist. Das war so der Hauptgedanke und natürlich
haben wir auch gehofft, dass das auch ankommt. Wir haben in dem Prozess auch so
ein wenig Revue passieren lassen, welche Momente an uns den Leuten gefallen
haben. Bei dem Support für Whitney Houston haben wir am Ende ein Lied
zweistimmig ohne Begleitung ausklingen lassen. Die komplette Arena war mucksmäuschenstill,
was ja tatsächlich eine Art magischer Moment ist. Damit rechnet man nicht,
denn schließlich ist das kein Musikliebhaber-Publikum, sondern ganz normales
Mainstream-Publikum.
CiH: Eventpublikum...
Daniel: So ein Publikum zu flashen muss also daran liegen, dass
sowohl die Art, wie wir zusammen singen, als auch die Melodien, besonders sind.
Beides haben wir dann herausgearbeitet und dem ganzen mit SEA + AIR ein Gerüst
gegeben, was es wirklich einzigartig macht. Und das bekommen wir jetzt auch
immer wieder im Ausland zu hören. Erst neulich in Holland wieder, kam einer
an, hat die CD gekauft und meinte: "This is the first German CD I've ever
bought" und dergleichen. Auch in Kanada haben wir das oft gehört, dass
die Leute natürlich ein Bild haben von Deutschland und unsere Musik nicht
erwarten.
für uns ist die Freiheit wichtig, die andere deutsche Bands wie Can oder Kraftwerk hatten
CiH: Wobei das ja immer so ein bisschen vergessen wird. Es gab ja
durchaus in den 60ern und 70ern, das hattest du in einem anderen Interview auch
mal erwähnt und das war ein Einfluss bei dir, der mich überrascht hat, Bands
wie Kraftwerk und Can, die einiges an Entwicklung angestoßen haben musikalisch
und wo es eigentlich egal ist wo das herkommt, wo die Musik an sich zählt.
Daniel: Auf jeden Fall und die Leute im Ausland wissen und schätzen
das mehr als wir hier in Deutschland. Viele große einflussreiche Bands
heutzutage, wie Radiohead, zählen die deutsche experimentelle Szene der Ende
60er Anfang 70er als mitunter größten Einfluss auf. Und für mich trifft das
auch zu, aber es geht natürlich nicht darum, den Stil dieser Bands
nachzuahmen, sondern für uns ist die Freiheit wichtig, die diese Bands hatten:
alles zu mixen, alles auszuprobieren - dieses Gefühl zu nehmen und was eigenes
zu machen, das ist für uns der Einfluss.
CiH: Okay, also wenn es euch kicken würde, wäre das nächste SEA +
AIR Album auch ein Hip Hop Album?
Daniel: Prinzipiell ist nichts ausgeschlossen aber ich sag mal so,
wenn es ein Hip Hop Album wär, dann eins...
CiH: Mit Cembalo...
Daniel: (lacht) genau...
Eleni: Was es so auch noch nicht gegeben hat (lacht)...
Daniel: Nee, was ich eigentlich sagen wollte: wenn es ein Hip Hop
Album wäre, dann wär es für viele Leute das erste Hip Hop Album, das sie mögen.
Eleni: Genau, viele mögen zum Beispiel das Cembalo an sich nicht.
Letztens haben wir eine Rezension gelesen, bei der die Autorin meinte, dass sie
das Instrument eigentlich regelrecht hasse. Nach dem Hören der Platte konnte
sie sich damit anfreunden. Wir haben es teilweise so untypisch eingesetzt, oft
auch als Rockinstrument, dass ihre Vorbehalte schnell verflogen waren.
eigentlich ist das Cembalo ein Rockinstrument
CiH: Was würdet ihr sagen, macht das Cembalo insgesamt mit eurem Sound? Wie würde SEA + AIR ohne Cembalo klingen?
Daniel: Es stimmt die Musik ein wenig festlicher. Natürlich in jedem
Fall auch spezieller. Es fällt auch nicht übertrieben auf, das liest man oft
und das war uns auch wichtig. Eigentlich ist es ein Rockinstrument, es ist
funkier als das Klavier, es ist viel konturhafter als eine Gitarre, die ein
bisschen schwammiger ist, es hat eigentlich alles, was ein Melodieinstrument für
Rockmusik braucht und trotzdem wurde es immer nur so sporadisch eingesetzt, von
den Beatles oder von Kate Bush.
CiH: Ich finde, es unterlegt auch die Stücke, die eher gitarrenlastig
sind, wie beispielsweise "Yeah, I Know", dass mich so ein wenig an
die Noisetoys Sachen erinnert hat, mit einer gewissen Leichtigkeit. Ein wenig
theatralisch könnte man auch sagen, es kommt ein tänzelndes Moment in die Musik
und gibt auch dem "schwereren Rock" eine neue Leichtigkeit. Ihr
verarbeitet auf dem Album ja durchaus auch tragische Themen wie Verlust,
Abschied, Liebeskummer - mit dem Cembalo kommt aber immer ein auflockerndes
Moment, im positiven Sinne, mit in die Musik, fast schon ein humoristisches
Moment. Aber dadurch bekommt wiederum auch der Schatten, der ausgedrückt wird,
auch eine tiefere Bedeutung...
Eleni: Das Fünkchen Hoffnung war uns wichtig. Zu vermitteln, dass
nach jedem Regen auch die Sonne wiederkommt.
CiH: Ist das bewusst auch so musikalisch umgesetzt?
Daniel: Also bewusst nicht. Die
Basis von SEA + AIR sind Extreme. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man
gesagt hat, jetzt sind wir mal extrem, sondern wir sind so Typen. Wenn ich
jetzt hier drei Stunden sitzen würde, würde ich zehn heiße Schokoladen
trinken, wenn ich Gitarre spiele, spiele ich bis ich umfalle Gitarre. In so
Dingen bin ich extrem, Eleni ist wieder in ganz anderen Dingen genau so ein
extremer Typ. Und diese Sachen zusammen zu bringen würde das Ganze verwaschen.
Deswegen lassen wir die Dinge gerne in ihrer ihnen eigenen Verschiedenheit für
sich stehen, wie du sagst, eine extreme Traurigkeit, die jeder Mensch manchmal
hat, die jeder auch kennt - aber auch den extremen Witz, den man auch hat, den
Abend, wo man mal nur am Lachen ist. Die beiden Pole sind bei uns vorhanden und
zeigen sich dann auch in der Musik.
CiH: Wie baut man dann mit den Songs ein Album auf - also ich habe es
mir gestern beim Laufen angehört und es hat da genau so funktioniert wie
abends im Bett mit Licht aus. Und es wird schon immer klar, dass es eben keine
sinnlose Aneinanderreihung von Singles ist, sondern es ist ein Album und ich
denke man hört, dass es das auch sein soll. Gab es da eine Konzeption und was
spielte eine Rolle dabei?
Daniel: Für uns ist sehr wichtig, dass irgendwann die jungen Leute
von heute, die ja meistens gar nicht mehr wissen, was ein Album ist, sich genau
diese Frage stellen. Wir sind ja heute an einem Punkt, den gab es schon mal.
Alle sind immer ganz entsetzt über mp3s und so. Das war aber in den 50ern und
davor schon so. Da war der Song der Star und der, der ihn gesungen oder
geschrieben hat, im Hintergrund.
Eleni: Und es wurde natürlich viel gecovert, was heutzutage auch
wieder üblicher wird. Dass man bekannt werden kann, indem man nur Songs von
anderen Künstlern covert, die schon bekannt sind. Das ist auch so ein Phänomen,
das wieder auftaucht.
irgendwann sagen die Leute wieder, was ist denn das, ein Album
Daniel: Genau, wie die Beatles oder die Rolling Stones Platten, die
hatten alle mindestens 50% Covers. Und dann irgendwann kamen Alben wie Sgt.
Pepper’s, wo beide Seiten ein Song/ also es waren natürlich sechs, sieben
Lieder pro Seite, die aber verbunden waren, wo sich die Leute plötzlich gesagt
haben - oh geil, das ist ein Album. Und heutzutage, durch die Länge der CD,
ist das wieder verloren gegangen in den 90ern. Die Leute wissen gar nicht mehr,
warum eigentlich ein Album, was ist das Tolle an einem Album? Zum Beispiel der
Moment, wo der dritte Song nur deswegen so geil ist, weil es der dritte Song
ist. Das kennen die Leute nicht mehr aber sie haben auch nicht das Verlangen
danach. Das verstehe ich vollkommen und ich glaube aber, dass wir das mit
anderen Albumbands wieder erreichen, dass Leute anfangen sich wieder zu überlegen
- okay, ich will mehr wieder so 'ne Sicherheit in meinem musikalischen Hörerleben.
Eleni: Ja, vielleicht muss die Schallplatte wieder her, damit es für
die Leute einfacher wird. Da hat man ja auch praktisch zwei Alben auf einem
gehabt, also zwei Seiten. Man hat die eine Seite gehört und dann die andere.
Das ist einfach...
Daniel: Ja, oder die eine und dann wieder die eine.
Eleni: Genau, dann kommt man da auch eher in dieses Gesamtkonzept rein
als wenn man ein 70-minütiges
"Monster" vor sich hat. Bei der Platte war es übersichtlicher.
Daniel: Genau und ich glaub irgendwann kommt der Punkt, da sagen die Leute - jetzt bin ich mal gespannt, was ist denn das - ein Album? Und dann geht man ganz neu an das Ding ran und dann werden sie entdecken, es gibt ja ein paar Bands - wie zum Beispiel SEA + AIR aber auch einen Haufen andere - die immer schon so gedacht haben - oder sie kommen tatsächlich durch uns darauf, dass es dieses Konzept gibt und dann ist das ein Erfolg für uns.
CiH: Hattet ihr da irgendwelche Dinge im Kopft, beim Aufnehmen des
Albums? War da 'ne theoretische A/B Seite im Kopf? Sind die Songs ganz bestimmt
zusammengestellt?
Eleni: Wir haben uns auf jeden Fall viel Zeit gelassen beim
Zusammenstellen der Songs. Es gab verschiedene Tracklisten, die damals unter
unseren Freunden in Umlauf gebracht wurden. Wir haben da bestimmt einen Monat
lang rumüberlegt, bis wir die für uns passende Reihenfolge hatten.
Daniel: Eigentlich gibt es zwei perfekte Reihenfolgen, die beide auf
dem Album sind - und zwar einmal die vorwärts und einmal die rückwärts.
Letztlich haben wir uns für die reguläre entschieden aber es gab auch Leute
die gesagt haben, genau umgekehrt wäre besser.
CiH: Richtig schön mit so 'nem acht Minuten Ding anfangen...
Daniel: Genau, gleich mit so 'nem Ding...
Eleni: Wobei eigentlich ist es besser, mit dem Medley aufzuhören...
Daniel: Das war die Idee, wobei es auch Stimmen gab, dass "My
Heart`s Sickest Chord" einen gleich gut packt und während man das Album
hört, Stile des Openers wiedererkennt. So ist die Aufnahme der verschiedenen
Themen eben an den Schluss gesetzt. Wir haben versucht einen Bogen mit lauten
und leisen Elementen zu spannen - vorwärts wie rückwärts. Und der allgemeine
erste Eindruck eines Albums beruht ja stark auf den ersten zwei, drei Liedern.
Hätten wir die Mittelstücke, die rockigeren, wie "Sea after a
storm" oder "Yeah I know" an den Anfang gepackt, hätten alle
gesagt, das ist voll die Rockband, voll das Rockalbum. So wie wir es jetzt
gemacht haben, siedeln uns viele eher so im Folk, Singer-Songwriter Bereich an
- und das ist eigentlich schon witzig wie man da manipulieren kann, weil es wären
genau dieselben Songs, nur unterschiedliche Reihenfolgen. Das ist ganz
interessant, vielleicht mal eigene Reihenfolgen auszuprobieren.
Eleni: Na viele, die Reviews machen, kommen ja auch über drei Songs
nicht hinaus. (lacht)
CiH: Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde die ersten drei Songs gut aber mein Höhepunkt ist der Song-Drilling "You Don't Care About Me, Safe from Harm und You & I" - bei denen ihr euch mit den Vocals abwechselt und bei denen mir so ein paar Dinge aufgefallen sind. Es gibt ja gute Alben, sehr gute Alben und so besondere Dinge - habt ihr den Film Almost Famous gesehen? Als sie auf die Bühne laufen und der Sänger der Band dem Interviewer erklärt, was besondere Songs ausmacht - diese verrückten, unperfekten Dinge - wenn ein Ton zu hoch, schief oder wie auch immer gesungen wird, das sticht heraus und macht Dinge besonders. Da sind mir bei euch auch so Dinge aufgefallen, die hängen bleiben. So zum Beispiel bei "The Heart Of The Rainbow" - das ja mit diesem Chor beginnt, der den Refrain singt, oder seid ihr beiden das gedoppelt...
Eleni: Das waren Schlagzeugschüler von uns, die da drauf gesungen
haben...
CiH: Und dann dieser Moment, wo sich Daniel so quasi "aus dem
Chor heraus singt", nochmal alleine mit dem Refraintext und geht dann in
den Vers über - oder bei "Yeah I Know" auch im Refrain, der ja auch
mehrstimmig ist, das aber immer du bist, oder, Daniel...
Daniel: Ja, das bin alles ich...
CiH: Und jede dieser Stimmen mit einer anderen "Qualität"
singt - die eine besonders hoch, die andere wirkt eher gelangweilt und da macht
ihr so einen Raum auf, da wird beim Hörer ein Bild gemalt, bei mir zumindest -
der eine Typ steht so gelangweilt lässig in der Ecke, während der andere eben
so hoch geht und das sind eben Sachen, die sind eben nicht so glatt, da
passiert was.
Eleni: Das sind die Extreme, von denen vorher die Rede war. Die
bleiben hängen.
CiH: Wie ensteht sowas?
Daniel: Das ist so eine Frage die man mit dem Kopf nicht wirklich
erklären kann, weil das kommt einfach so.
Eleni: Das kommt hauptsächlich durch die eigenen Hörgewohnheiten.
Wir hören selber auch am liebsten Musik, die in irgendeiner Weise extrem ist.
Mir geht es dabei wir dir - bei mir bleiben auch Dinge hängen, die nicht glatt
poliert sind, sondern die aus irgendeinem Grund herausstechen. Eine Melodie
oder eine Gitarre, die viel zu laut eingestellt wurde aber am Ende ist es genau
das: auf diese eine ungewöhnliche Stelle wartet man dann bei einem Song. Und
wenn man selber diese Art von Musik hört, passiert es dann unterbewusst, dass
man selber auch so Musik schreibt.
Daniel: Ganz genau, da kommt das her. Und es kommt noch auf den
"magic chord" an. Jeder Song, den ich schreibe muss sowas haben,
sonst wandert er in die Tonne. Wir veröffentlichen keinen Song, der nicht
mindestens zwei Sekunden hat von sowas. Man merkt das auch an guten
Mainstream-Bands wie U2 oder auch Coldplay, die haben auf jedem Album, deswegen
kauf ich mir die auch, vier solche Lieder - ein guter Popsong arbeitet mit
Motiven, die man irgendwie kennt, man kann sie nicht einordnen aber man kennt
sie irgendwie - und dann werden sie gebrochen von diesem "magic
chord" und genau das dreht es dann um und macht es spannend. Die
restlichen sechs Lieder haben das meistens nicht und sind dann langweilig. Wir
wollten halt einfach, dass jedes Lied das hat.
CiH: Also ist man sich diesen Momenten durchaus bewusst?
Daniel: Irgendwann dann schon...
Eleni: Aber nicht während des Prozesses. Da denkt man über sowas
nicht nach - im Nachhinein, ein, zwei Jahre nach den Aufnahmen, wird einem
das klar.
Daniel: Man merkt ja irgendwann
wie man tickt, was einem das Bauchgefühl sagt und wie Eleni sagt, was man
selber auch für Musik mag und das kommt dann automatisch also man ist ja
nicht, man kann ja jetzt auch nicht hinstehen und sagen - ich bin jetzt voll
der Künstlertyp und mach jetzt mal was crazy'es. Weil dann funktioniert das
nicht. Man ist wie man ist und entweder man hat so ein Empfinden oder halt
nicht.
Ende des 1. Aktes
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen